Der große Spagat: langfristiges vs. kurzfristiges Denken im B2B-Marketing

19th Juni 2019

Erfolgreiche Entscheider im B2B-Marketing denken in der Regel langfristig. Doch der Druck, unmittelbar Ergebnisse erzielen zu müssen, ist und bleibt hoch. Um nicht in die Effektivitätsfalle zu tappen, müssen wir langfristiges und kurzfristiges Denken sorgsam gegeneinander abwägen.

Von John F. Goetze & David van Schaick

Die Argumente für langfristiges Denken kennen wir spätestens seit dem einflussreichen IPA-Bericht „The Long and the Short of It“ von Les Binet und Peter Field. Der Kern: Langfristige Strategien bewegen effektiv genau die Stellschrauben, die für uns wichtig sind – also Marktanteil, Gewinn, Umsatz und Co.

Binet and Field basieren ihre Erkenntnisse jedoch größtenteils auf Beispielen aus dem Business-to-Consumer (B2C)-Bereich. Eine neue Umfrage unter 600 Business-to-Business (B2B)-Marketingexperten untermauert nun diese Ergebnisse. Diejenigen, die in den letzten zwei Jahren erfolgreicher waren als der Wettbewerb, tendieren zweimal stärker dazu, langfristig zu denken.

Vertrieb im B2B ist ein langfristig angelegtes Spiel

Die Effektivitätsformel von Binet und Field mit ihrem 60:40-Split hat es inzwischen zu reichlich Berühmtheit gebracht. 60 Prozent der Mittel sollten demnach in den langfristigen Markenaufbau fließen, 40 Prozent in die kurzfristige Unterstützung des Vertriebs.

Im B2B-Umfeld ist die Unterscheidung zwischen Marken- und Vertriebsaktivierung jedoch gar nicht so eindeutig, wie im B2C-Umfeld.

Zwar kursiert die Binsenweisheit, dass wir uns mit unseren Marketingmaßnahmen doch immer an Menschen richten und deshalb alle den gleichen logischen Prinzipien folgen. Die Realität sieht für die (meisten) B2B-Marken jedoch gänzlich anders aus. Ihr typischer Vertriebszyklus ist deutlich länger, oft reden wir von mehr als sechs Monaten. Außerdem sind zahlreiche Entscheider involviert, nach Angaben von CEB im Schnitt mehr als sechs, Tendenz steigend.

Das Marketing funktioniert am besten, wenn es einer langfristigen Strategie folgt. Für das Betriebsmodell jedoch sollten kurze Feedback-Loops gelten.

Klar, es gibt Menschen, die sich von Business-Zielen leiten lassen. Persönliche oder politischen Ziele spielen für sie aber eine ebenso starke Rolle. Karrieren hängen davon ab, ebenso der Arbeitsplatz das Privatleben oder die nächste Beförderung. Und sogar das eigene Selbstwertgefühl kann durch Ziele bestimmt werden.

Untersuchungen von Google und CEB aus dem Jahr 2013 haben gezeigt, dass Emotionen bei B2B-Entscheidungen eine noch stärkere Rolle spielen als im B2C-Umfeld. Und auch die Harvard Business Review stellte kürzlich fest, dass subjektive Werte wie “Wahrung des Image” und sogar “Hoffnung” die Loyalität verbessern sowie die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde das Unternehmen oder die Marke weiterempfiehlt.

Die meisten Vertriebler, die ich kenne, nutzen das Marketing in zweierlei Hinsicht: Um unmittelbare Verkaufschancen auszuloten und um die Weichen für den Vertriebserfolg in der Zukunft zu stellen. Dieser Zweisprung schwingt bei jeder Konversation mit – egal auf welcher Ebene. Nicht nur die Marke braucht einen langfristigen Plan, sondern jeder einzelne Kommunikationsschritt.

Ist weit gedacht zu kurz gesprungen?

Beim Recherchieren sind wir auf einen weiteren spannenden Punkt in der Diskussion um lang- und kurzfristiges Denken gestoßen: Marketers führen Kampagnenmisserfolge selten auf andere zurück, etwa auf mangelnde Unterstützung durch das Business. Sie neigen vielmehr dazu, den Grund in schlechten Briefings zu sehen – in anderen Worten: bei sich selbst.

Unser Fazit: Marketing-Entscheider sind sehr reflektiert. Ihrer Arbeitsweise entspricht es, Kampagnen sorgfältig aufzusetzen, sie zu testen und später anzupassen – und nicht kurzfristig etwas aus dem Ärmel zu schütteln.   

Dieses agile Denken ist es, was datengetriebene Marketers kennzeichnet. Sie verstehen das Messen nicht als Selbstzweck, sondern fordern Feedback ein, um adäquat reagieren zu können und besser zu werden. Schließlich entwickeln Marketingmaßnahmen am meisten Schlagkraft, wenn sie einer langfristigen Strategie folgen. Das Betriebsmodell jedoch sollte sich an kurzfristigen Entwicklungen ausrichten.

Eine der besten Marketiers im B2B-Umfeld, die ich kenne, hat für sich einen gut gepflegten Dreijahresplan entwickelt, um den Spagat zwischen Kurz- und Langfristigkeit zu schaffen. Ihr ist es auf diesem Weg gelungen, das Vertrauen des Business zu gewinnen, das Marketing zu transformieren und ihre Konversionsraten zu verdoppeln.

Wer sich im B2B-Marketing-Umfeld künftig einen Vorteil verschaffen will, kommt nicht drum herum, die Faktoren Langfristigkeit und Kurzfristigkeit in Einklang bringen.

John F. Goetze, VP Client Partnerships & David van Schaick, CMO von The Marketing Practice

In Kooperation mit The Marketing Practice veröffentlicht die Plattform marketingweek.com demnächst eine Video-Reihe, die sich dem Thema „Excellence“ im B2B-Marketing widmet. In der Zwischenzeit können Sie hier die vollständigen Studien-Ergebnisse abrufen: https://25865525.fs1.hubspotusercontent-eu1.net/hubfs/25865525/Blogs/Reports/B2B-Effectiveness-Barometer-2020.pdf  

Melden Sie sich zu unserem Newsletter an und erhalten Sie aktuelle News und Infos über Events.